Newsletter 04 2024
Der Sommer kommt: Was bei der Beschäftigung von Schülern zu beachten ist
Die Sommerzeit naht und damit werden in vielen Betrieben wieder Schüler/innen und Student/innen tätig sein. In der Praxis ist häufig die undifferenzierte Ansicht anzutreffen, dass die in den Ferien beschäftigten Schüler/innen und Student/innen immer einheitlich als „Praktikanten“ anzusehen seien.
Aber ACHTUNG: Auch wenn die geschilderte Ansicht dem gängigen Sprachgebrauch entsprechen mag, muss jedes Beschäftigungsverhältnis arbeitsrechtlich und abgabenrechtlich korrekt eingeordnet werden. Andernfalls drohen Urgenzen (z.B. von der Arbeiterkammer), finanzielle Nachforderungen und andere nachteilige Folgen (z.B. „schlechtes Image des Unternehmens nach außen“).
„Echte“ Ferialpraktikant/innen
Als „echte“ Ferialpraktikant/innen gelten nur Personen, die
1. aufgrund der schul- oder studienrechtlichen Vorschriften verpflichtet sind, ein Praktikum in einem Betrieb zu absolvieren (eindeutig überwiegender Ausbildungszweck) und
2. keiner Arbeitspflicht (im Verhältnis zum Betrieb), keinen arbeitsbezogenen Weisungen, keiner Arbeitszeitbindung und keiner organisatorischen Eingliederung in den Betrieb unterliegen.
Angesichts dieser nicht gerade „praxisfreundlichen“ Vorgaben ist davon auszugehen, dass derartige „echte“ Ferialpraktika – bei rechtskonformer Anwendung – tatsächlich wesentlich seltener vorliegen als in der Praxis vielfach angenommen wird. Denn nur dann, wenn keine wie immer geartete Arbeitspflicht besteht, sondern ausschließlich eine Betätigung entsprechend der einschlägigen Fachrichtung gegeben ist, kann von einem „echten“ Ferialpraktikum die Rede sein. Hinsichtlich dieses „Schnuppercharakters“ sind „echte“ Ferialpraktikant/innen insoweit den Volontären ähnlich, mit dem Unterschied, dass ein Volontariat ohne schul- bzw. studienmäßige Verpflichtung (also komplett freiwillig) absolviert wird.
Treffen die geschilderten Voraussetzungen für ein „echtes“ Ferialpraktikum zu, gelangen mangels der arbeitsrechtlichen Arbeitnehmereigenschaft die arbeitsgesetzlichen und kollektivvertraglichen Bestimmungen nicht zur Anwendung und es ist keine Anmeldung zur Sozialversicherung erforderlich. „Echte“ Ferialpraktikant/innen sind – ohne Beitragsleistung des Betriebes – im Rahmen der Schüler- bzw. Studentenunfallversicherung teilversichert (§ 8 Abs. 1 Z. 3 lit. h und lit. i ASVG). Da der Ausbildungszweck im Vordergrund steht, besteht grundsätzlich auch kein Anspruch auf Entgelt.
Gewährt der Betrieb an Ferialpraktikant/innen freiwillig ein Taschengeld, steht dies einer Beurteilung der Beschäftigungsverhältnisse als arbeitsrechtliche (Ferial-)Praktika nicht entgegen. Auswirkungen hat diese Zahlung allerdings auf die sozialversicherungs- bzw. lohnsteuerrechtliche Behandlung:
- Pflichtpraktikant/innen mit Taschengeld sind vom Arbeitgeber vor Arbeitsantritt bei der ÖGK „regulär“ anzumelden. Abhängig von der Höhe des Taschengeldes kann es sich um eine geringfügige oder eine vollversicherte Beschäftigung handeln.
- Dauert die Beschäftigung länger als einen Monat, sind BV-Beiträge zu entrichten.
- Das Taschengeld ist dem Grunde nach auch lohnsteuerpflichtig (daher ist insbesondere auch ein Lohnzettel L16 auszustellen), wobei in den meisten Fällen aber aufgrund der Höhe der Taschengeldzahlung tatsächlich keine Lohnsteuer anfallen wird.
Sonderfall Hotel- und Gastgewerbe: Die vorstehenden Ausführungen sind nach einhelliger Rechtsansicht für das Hotel- und Gastgewerbe nicht anwendbar. Im Hotel- und Gastgewerbe können Praktika ausschließlich im Rahmen eines Dienstverhältnisses absolviert werden, da hier so gut wie immer eine betriebliche Eingliederung vorhanden ist. Es besteht dementsprechend Anspruch auf Entgelt entsprechend den kollektivvertraglichen Bestimmungen.
Ferialarbeitnehmer/innen und Ferialpraktikant/innen im Dienstverhältnis
In allen anderen Fällen handelt es sich bei den in den Ferien tätig werdenden Schüler/innen und Student/innen um „reguläre“ Arbeitnehmer/innen in befristeten Dienstverhältnissen. Sie sind vor Arbeitsantritt bei der ÖGK anzumelden und es besteht Lohnsteuerpflicht.
• Einerseits fallen darunter jene Schüler/innen und Student/innen, die in den Ferien arbeiten, um Geld zu verdienen, ohne dass die Tätigkeit für die Schul-/Studienausbildung einschlägig sein muss (Ferialarbeitnehmer/innen). Je nach Art der Tätigkeit handelt es sich um Ferialangestellte oder um Ferialarbeiter. Aufgrund des Vorliegens eines klassischen Dienstverhältnisses gelten für diese Personen sämtliche arbeitsrechtliche Bestimmungen (i.d.R. auch einschließlich des betrieblich anwendbaren Kollektivvertrages).
• Andererseits stehen aber auch jene Pflichtpraktikant/innen in einem Dienstverhältnis, die bei ihrer Tätigkeit in den Betrieb eingegliedert sind und einer Arbeitspflicht, Arbeitszeit und Weisungsbindung unterliegen. Auch diese sind daher als Arbeitnehmer/innen zu behandeln. Ob für solche Pflichtpraktikant/innen auch die kollektivvertraglichen Bestimmungen (einschließlich Gehalts- bzw. Lohnordnung) zur Anwendung gelangen, muss anhand des persönlichen Geltungsbereichs des Kollektivvertrages beurteilt werden. Zahlreiche Kollektivverträge schließen nämlich Ferialpraktikanten – selbst wenn in arbeitsrechtlicher Hinsicht ein Dienstverhältnis vorliegt – vom Geltungsbereich aus (z.B. Rahmenkollektivvertrag für Angestellte im Gewerbe und Handwerk und in der Dienstleistung).
Kündigungsfristen bei Arbeitern: Der große „Showdown“ steht bevor
Bekanntlich gelten seit 1. Oktober 2021 für die Arbeiter/innen im Grundsatz dieselben gesetzlichen Kündigungsfristen und -termine wie für die Angestellten, also je nach Dienstzeit sechs Wochen bis fünf Monate, wobei das Dienstverhältnis zum Quartalsende enden muss oder – falls im Kollektivvertrag, im Dienstvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung vorgesehen – auch zum 15. oder Letzten des Monats enden kann (§ 1159 ABGB). Durch Kollektivvertrag können allerdings für Branchen, in denen Saisonbetriebe österreichweit überwiegen, weiterhin kürzere Kündigungsfristen geregelt werden („Saisonprivileg“). Diese mehr als nebulöse Bestimmung sorgt seit Jahren für extreme Verunsicherung und es spielen sich im betrieblichen Alltag, insbesondere im Hotel- und Gastgewerbe, immer wieder Dramen ab. Auch zwei Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zum Hotel- und Gastgewerbe haben – trotz redlicher Bemühung der OGH-Richter – bislang keine Klärung gebracht (OGH 24.03.2022, 9 ObA 116/21f und OGH 27.04.2022, 9 ObA 137/21v). Nun ist den Richtern des Obersten Gerichtshofes offenbar „der Kragen geplatzt“:
Der OGH hält die Regelung des § 1159 ABGB für verfassungswidrig und hat daher vor kurzem einen Antrag beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) auf Aufhebung des § 1159 ABGB gestellt. Die Bedenken des OGH richten sich darauf, dass die derzeitige gesetzliche Regelung dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot (Rechtsstaatsprinzip) und dem Gleichheitsgrundsatz widerspräche (OGH 14.02.2024, 9 ObA 38/23p).
Abgesehen davon, dass die Causa für den Gesetzgeber eine riesige Blamage darstellt, zeigt sie zugleich gnadenlos das damit verbundene rechtliche Minenfeld für die betriebliche Praxis im Personalwesen auf. Betroffen ist nicht nur das Hotel- und Gastgewerbe, sondern es drohen auch in vielen anderen Branchen erhebliche Auswirkungen für die Zukunft. So könnte es vor allem für jene Branchen „ungemütlicher“ werden, in denen sich die KV-Parteien eigentlich schon längst auf die Anwendung des „Saisonprivilegs“ geeinigt hatten, wie z.B. im Baugewerbe bzw. in der Bauindustrie, im Gütertransportgewerbe oder bei den Spenglern).
Je nachdem, wie der VfGH letztlich entscheiden wird, sind für die Zukunft verschiedene Szenarien denkbar:
1. Aufhebung der gesamten Kündigungsregelung des § 1159 ABGB: Es droht allen Branchen die Rückkehr zur alten Gesetzeslage (also das Aufleben des § 1159 ABGB in der früheren Fassung vor dem 01.10.2021). Bei den Arbeitern würde dadurch wieder eine gesetzliche Kündigungsfrist von 14 Tagen gelten (sowohl für betriebs- als auch arbeitnehmerseitige Kündigungen). In diesem Fall wäre der Gesetzgeber wohl gezwungen, rasch zu reagieren und eine Neuregelung auf den Weg zu bringen.
2. Aufhebung (nur) des im § 1159 ABGB enthaltenen „Saisonprivilegs“: Dies würde in allen Branchen „ohne Wenn und Aber“ dieselbe Gesetzeslage für Kündigungen bei Arbeitern wie für Angestellte herbeiführen. Kollektivvertragliche Verschlechterungen zulasten der Arbeiter wären dann gegenüber dem Gesetz nicht mehr zulässig (mit Ausnahme der Verankerung des 15. und Letzten des Monats als Kündigungstermin für den Arbeitgeber). Denn die Kompetenz der KV-Parteien zur Festlegung abweichender Kündigungsregelungen für saisongeprägte Branchen würde ersatzlos wegfallen, wodurch auch alle darauf aufbauenden KV-Regelungen (z.B. Baugewerbe, Gütertransportgewerbe, Spengler etc.) ihre Wirksamkeit verlieren würden.
3. Ablehnung des Antrags durch den VfGH: Dies hätte die Weitergeltung des § 1159 ABGB samt „Saisonprivileg“ zur Folge. Alle Branchen, in denen das „Saisonprivileg“ anwendbar ist, könnten aufatmen. Für Branchen, in denen die Anwendbarkeit des „Saisonprivilegs“ strittig ist (insbesondere für das Hotel- und Gastgewerbe) würde dies hingegen die Fortsetzung der Rechtsunsicherheit bei Kündigungen von Arbeitern bis zum „Sankt Nimmerleinstag“ bedeuten.
Anmerkung: In Fachkreisen wird mit einer Entscheidung des VfGH im Herbst 2024 gerechnet. Bis dahin heißt es Daumendrücken, Zittern und auf die Vernunft der Höchstrichter hoffen.
Falls in der Zwischenzeit im Betrieb die Beendigung von Arbeiter-Dienstverhältnissen ansteht, ist Folgendes zu empfehlen:
In Branchen, in denen das „Saisonprivileg“ seitens der KV-Parteien bejaht wird (z.B. Baugewerbe, Gütertransportgewerbe, Spengler etc.), können die Arbeitgeber bis zur VfGH-Entscheidung ohne größeres Risiko die kollektivvertraglichen Kündigungsregelungen anwenden. Es gilt als unwahrscheinlich, dass die VfGH-Entscheidung – wie auch immer sie inhaltlich ausfallen wird – rückwirkend umgesetzt werden muss.
In jenen Branchen, in denen die Anwendbarkeit des „Saisonprivilegs“ strittig ist (insbesondere im Hotel- und Gastgewerbe), sollte versucht werden, auf einvernehmliche Auflösungen „auszuweichen“. Falls dies im Einzelfall mangels Zustimmung des Arbeitnehmers nicht in Frage kommt, ist es bis auf weiteres sinnvoll, Kündigungen vorsichtshalber unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zu einem gesetzlich zulässigen Kündigungstermin auszusprechen (insbesondere zur Vermeidung des Risikos einer Kündigungsentschädigung).
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